Von Heike und Friedrich kam die Anmerkung zum Coaching, dass es so leicht klingt mit den Mustern aus der Kindheit und der Verbindung zu den Verhaltensstrukturen in der Gegenwart. Nun, das Herausfinden, welche Muster in uns arbeiten und uns als Erwachsene triggern, das geht relativ schnell (je nachdem wie aufgeschlossen und zugänglich der Betroffene ist), sehr oft bereits in einer Sitzung. Unser Gehirn wird bis zu einem Alter von ca. 20 Jahren mit all den Erfahrungen und Einflüssen um uns herum vollständig geprägt. Zwei wichtige Pfeiler, die wir bestmöglich im Kindesalter stabil erfahren sollten, sind Bindung (ohne die wir nicht lebensfähig wären) und Autonomie. Ideal wäre, wenn Beides optimal ausgewogen in uns ausgeprägt wäre, was jedoch kaum der Fall ist. So wird zum Beispiel ein Mensch (hier Heike, Nennung erlaubt), der in seiner Kindheit/Jugend oft überangepasst sein musste, weil er strenge Eltern oder Elternteile in Not bzw. mit eigenen starken Einschränkungen hatte, einen starken Drang zur Autonomie im Erwachsenenalter haben und nach außen starke Grenzen setzen (für andere oft verletzend und nicht nachzuvollziehen), da er sich nur in diesem Zustand wirklich frei fühlt, weil nichts von ihm verlangt wird und das unangenehme und zu vermeidende Muster/Gefühl (unbewusst) “ich werde nur geliebt oder gesehen, wenn ich deine Erwartungen erfülle” so nicht getriggert werden kann. Oft kippen an diesem Punkt dann Beziehungen, Freundschaften etc. und die Verbindung wird schwer, für alle Beteiligten. Erkennt man seine eigenen Muster, hat man tolle Möglichkeiten, das aufzulösen und eine wirkliche Freiheit zu erlangen. Aus diesem Grund ist es auch leicht. Die Überwindung, sich seine Muster anzusehen, ist meist der größte Akt. Dies ist aber lediglich ein Beispiel (denn es gibt einige Muster – meins hatte mich zum Beispiel in emotionale Abhängigkeit geführt) und nur sehr knapp erläutert. Kurz und leicht verständlich und direkt auf den Punkt bringt es auch Stefanie Stahl (besser kann man es fast nicht erklären) im Podcast “Stahl aber herzlich” oder in ihren Büchern (keine bezahlte Werbung). Bei Fragen könnt Ihr aber auch jeder Zeit über die Mail auf meiner Seite Kontakt aufnehmen. (Hinweis: vorerst noch die Autoren-Homepage, wird demnächst geändert).
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Julia
Ich bin im Urlaub, als mich die Zeilen von Julia erreichen. Wer den Artikel über Max zuvor gelesen hat, weiß bereits, dass Julia sich von Max getrennt hat. Sie bat mich, auch ihren Teil zu veröffentlichen. Da ihre Nachricht detailliert und sehr liebevoll geschrieben ist, werde ich den Ausschnitt hiermit ungeändert einbringen:
“…Zunächst möchte ich sagen, dass ich sehr gerührt von den Worten bin, die Max aufgebracht hat und von dem Mut, der damit verbunden ist. Auch möchte ich ihn auf diesem Wege nicht bloßstellen, aber dennoch jeden wachrütteln, der mit diesem Thema konfrontiert ist. Ich habe für Max die größte Liebe empfunden. Er war auf den ersten Blick ein einfühlsamer, kluger und vor allem sehr witziger Mann. Attraktiv und sportlich. Noch dazu Vater eines Kindes. Und seit einiger Zeit konsequent geschieden. Hier gab es nur gelegentlich Schwierigkeiten in Bezug auf alte und neue Beziehung. Doch dann änderte sich alles relativ zügig, aber trotzdem bis dahin noch eher unterschwellig. Im Prinzip ist es genauso gewesen, wie Max es beschrieben hat. Den Alkohol nahm ich am Anfang kaum wahr. Max hat getrunken, wie jeder andere auch. Lediglich nach größeren Mengen auf Feiern fiel mir auf, dass seine Launen anschließend bzw. am Tag danach extrem schnell kippten. Ich schob das zunächst auf Stress, Arbeit und die Probleme, die sich als Patchworkfamilie nun einmal ergaben. Max wurde unzufriedener. Obwohl wir gerade erst ein knappes Jahr zusammen waren. Wir lebten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammen. Wir sahen uns kaum, obwohl uns nur drei Ortschaften trennten. Mir war das auf Dauer zu wenig. Zu wenig Nähe. Zu wenig Gemeinsamkeiten. Erst recht mit drei Kindern. Da wäre ein gemeinsamer Haushalt wesentlich einfacher und zeitsparender gewesen und die Möglichkeit, endlich richtig zusammenwachsen zu können. Doch Max schien alledem aus dem Weg zu gehen. Er brauchte seine Ruhe. Und fing an, jedes Wegbleiben anfangs mit kleineren und später dann mit ganz unverblümten Schuldzuweisungen zu rechtfertigen. Schuld war alles mögliche. In erster Linie meine Kinder, keine Ruhe, Zeit für sich, dann ich. Vor allem, wenn ich es wagte, Ansprüche zu stellen. An ihn und an unsere Beziehung. Max war nicht in der Lage, sich mit mir an einen Tisch zu setzen und Probleme anzusprechen. Und schon gar nicht, sie zu lösen. Statt Einsicht gab es nur den Fingerzeig. Man kann das garnicht beschreiben. Ich hatte zuvor noch nie einen Menschen kennengelernt, der nicht einen einzigen Fehler benennen konnte und auch nicht lösen wollte. Begleitet wurde all dies von Gefühlsausbrüchen. Manchmal hat ihn die Fliege an der Wand gestört, obwohl er fünf Minuten vorher noch total entspannt und lustig war. Das trat immer häufiger auf. Ich habe in Max am Ende nur noch Wut und Leere gesehen. Oder das extreme Gegenteil. Vor allem, wenn sein Sohn anwesend war oder Freunde und Personen außerhalb unseres Kreises. Dann war Max der freundlichste und redegewandteste Mensch auf Erden. Er sprühte vor Charme und Witz. Durch dieses Extrem habe ich mir meine Gedanken gemacht. Bis ich durch Zufall auf das Thema Alkohol gestoßen bin. Ich begann, genauer hinzusehen. Max konsumierte tatsächlich fast täglich ein Glas Wein oder Bier. Das anzusprechen, verschlimmerte unsere Situation. Anfangs wollte Max darüber nachdenken. Und ließ hin und wieder, vor allem vor sportlichen Ereignissen oder größeren Vertragsverhandlungen sogar für eine längere Zeit den Alkohol weg. Damit war der Beweis erbracht und eine Abhängigkeit für ihn ausgeschlossen. Dafür wurde das Wegschieben meiner Person um so heftiger. Max ging mit seinen Freunden fast ausschließlich ohne mich weg. Gemeinsame Zeit gab es dafür kaum noch. Die Vorwände blieben die gleichen. Nach Feiern musste er sich ausruhen. Klar, die Energie war weg. Ich bat Max, Prioritäten zu setzen. Das tat er. Nur, die waren leider nicht wir. Nicht einmal meine Geburtstage oder die meiner Kinder oder andere Feiertage und Urlaube waren mehr wichtig. Keine Blumen, kein gemeinsames Frühstück oder Reinfeiern. Keine Ausflüge. Keinerlei Bemühungen. Ich glaube, Max hat mich am Ende nicht einmal mehr wirklich wahrgenommen. Ich suchte mir Hilfe bei einem Psychologen mit Suchterfahrung und in einer Selbsthilfegruppe. Hier lernte ich, wie Alkohol die Psyche und den Körper veränderte. Selbst wenn jemand nicht körperlich abhängig ist, macht dieser Stoff den Körper kaputt. Und wenn du das über Jahre betreibst, hat das eben seine Auswirkungen. Es schien jeder zu kennen, wovon ich sprach. Was mich jedoch am betroffensten machte, war die Hilflosigkeit, in der sich ebenfalls jeder befand. Denn eins war den meisten vertraut: Hilfe von Freunden und Verwandten gibt es fast nie. Das hörte ich auch von Max so oft: “Wenn es so wäre, hätte mich bestimmt schon jemand darauf angesprochen!” Nein, eben nicht. Das bestätigte mir auch der Psychologe: “Das höre ich fast immer. Das Problem ist, dass jeder Außenstehende das immer als Momentaufnahme betrachtet. So ungefähr: wenn der geschlafen hat, dann ist er wieder fit. Sie können die Situation noch dazu jeder Zeit verlassen und tun es nach jedem Treffen und gemeinsamer Zeit ja auch. Damit ist das Thema meist wieder vom Tisch. Alkohol ist ein unangenehmes Thema. Ähnlich wie das Sterben. Wieviele Menschen wenden sich da von anderen ab. Wenn die Betroffenen sich selbst sehen könnten, würden sie erschrecken. Meistens nehmen sie ihr Verhalten aufgrund des Alkohols und Filmrisses ja nicht wahr. Das, was man sagt, sind für sie Geschichten. Und sie befinden sich unter anderem im Gefühlschaos, da der Körper ständig im Entgiftungsvorgang ist. Aber Gefühle wie Leere, Lustlosigkeit, Depressionen, Verstimmungen, Antriebslosigkeit werden natürlich nicht mit dem Alkohol verbunden. Wenn man als Angehöriger das Thema anspricht, wird es schwierig, da die Betroffenen ihre Komfortzone verlassen müssten und eigentlich wissen, das nur sie selbst etwas ändern müssten. So lange es geht, wird das Wegschieben dieser Menschen (oft einzigen Personen, die wirklich und ehrlich helfen wollen) vorgezogen. Bis entweder die Einsicht kommt oder derjenige mehr und mehr die Einsamkeit und das eigene Heim vorzieht. Wenn jeder Betroffene wüsste, wie einfach und leicht das eigene Leben ohne Alkohol wieder wird, würde er nicht einen Augenblick vor der Abstinenz zögern!”, so der Psychologe. “Doch leider rebelliert da das Gehirn, denn es will ja den Stoff und sorgt dafür, dass er schmeckt.” Ich glaube, das war der größte Einschnitt in meiner Beziehung zu Max. So ein bisschen Flüssigkeit hatte solche Auswirkungen und Einfluss auf unser einziges Leben? Ich habe lange gekämpft. Mit viel Druck und Hinreden sind wir kurz vor der Trennung noch in ein gemeinsames Haus gezogen. Es war nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn es waren kein freiwilliges Möchten oder Liebe der Grund für diesen Schritt sondern nur noch Verzweiflung und mein Drängen. Mit der Selbshilfe kam die Erkenntnis, dass Max niemals die Einsicht wählen würde. Er sah nur mich als Grund am Scheitern von Beziehung und Gefühlen. Und dann kam der Punkt, wo es in mir kaputtging. Ich war unendlich traurig, dass Max mir nie vertraut hatte, sich öffnen zu können und sich helfen zu lassen. Damit wir endlich das leben konnten, was uns ausgemacht hatte. Und nicht nur für Momente oder ein paar gute Tage zwischendurch, die immer wunderschön waren und mich hoffen ließen, dass es eines Tages dauerhaft so sein würde. Heute weiß ich, dass er das nie so empfinden konnte, aber es war dennoch nur er selbst, der das ändern konnte. Ein Teil von mir liebt Max noch immer. Warum ich das hier so offen schreiben kann, wenn ich einen neuen Mann kennengelernt habe? Weil ich genau das mit ihm kann: ehrlich sein. Max hatte viele Chancen. Diese neue Person nimmt mich wahr und bemüht sich. Hat er nicht ebenfalls die Chance auf eine liebevolle und ehrliche Beziehung verdient? Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Ich weiß nicht, wie nachhaltig und dauerhaft der Weg von Max sein wird. Im Moment freue ich mich für ihn, dass er den Anfang gemacht hat. Wir haben uns einmal getroffen. Und er hat wirklich anders ausgesehen. Gesünder und kraftvoller. Ich habe Lebendigkeit in seinen Augen gesehen. Ich wünsche mir mehr Aufklärung und Hilfe für Angehörige. Und ich wünsche mir, dass das Thema Alkohol als Droge Nummer eins in Deutschland kein Tabu mehr in der Gesellschaft ist. Wir gehen zum Sport, essen gesund, gehen zur Vorsorge, achten auf Gesundheit und gute Blutwerte, aber kehren dieses Thema lachend unter den Teppich. Ist es doch mit so viel Leid verbunden…”
Liebe Julia, ich danke Dir sehr für Deine Zeilen. Ich lese sie nicht unbefangen, fühle Traurigkeit und Abschied, Bestätigung für eigene Entscheidungen. Ich hoffe, dass Dein Beitrag viele Menschen erreicht und ermutigt. Zu gehen und zu helfen. Dass Deine Zeilen Max erreicht haben, weiß ich genau. Egal, wie es für Euch weitergeht, ich wünsche Euch Kraft und Liebe.
Max
Max und ich haben uns vor ein paar Monaten über eine Rückenschule zufällig kennengelernt. Wir sind befreundet und erzählen viel. Vor ein paar Tagen steht er vor mir, nimmt meine Hände und bittet mich: “Anja, schreib über mich. Für alle… und für Julia.” Ich darf Julia erwähnen, weil kaum jemand Julia kennt und in den Zusammenhang mit dieser Geschichte bringen würde. Dass das so ist, sagt eine Menge, denn Julia ist mit drei eigenen Kindern bereits seit sieben Jahren an der Seite von Max. Gewesen. Sie hat sich getrennt. Und Max vermutlich ein wenig gerettet. Julia und Max lebten als Patchworkfamilie in einem Haus, noch nicht sehr lange. Der Weg dahin war schwer, sagt Max. Aus seiner heutigen Sicht vor allem für Julia. Denn Max hat ein Problem: Alkohol. Nicht sonderlich sichtbar. Denn glücklicherweise gibt es keine körperliche Abhängigkeit, die einen klinischen Entzug erfordern würde. Alkohol begleitet ihn, wie vermutlich fast jeden von uns, seit seiner Jugend. Sein Trinkverhalten hat sich nicht großartig von anderen unterschieden. Mittlerweile ist Max 48 Jahre alt, hat einen Sohn, ist beruflich erfolgreich und sportlich aktiv. Zu Trinken gehörte allein beruflich so zum Alltag wie die Unterschrift auf seinen Verträgen. Manchmal mehr, mal weniger. Manchmal wochenlang garnichts. Dann wurde aber auch mal wieder mit Kumpels bis zum Filmriss getrunken. Das allerdings mit zunehmendem Alter eher selten. Aber im Großen und Ganzen verging kaum ein Tag, an dem es nicht doch mal ein kleines Bier oder ein Glas Wein gab. Mehr zum Entspannen. “Die Tücke ist”, sagt Max, “dass jeder bei einem Alkoholproblem an Abhängigkeit und den aggressiven Trinker denkt, der morgens erstmal einen Liter Wodka trinken muss!” Denn die Abhängigkeit im Kopf beginnt so viele Jahre früher und was gefährlich ist: schleichend. Und zeigt sich nicht erst im Zittern und bei Magenproblemen. Nein, der Alkohol ändert das Wesen. Der Dopaminspeicher wird unter anderem immer wieder geleert. Die Organe haben ständig mit dem Entgiften zu tun etc.etc. Die Liste ist lang. Auch Max hat sich verändert. Als er Julia kennenlernt, ist sie seine große Liebe. Er konnte sich alles mit ihr vorstellen. Doch irgendwie ist alles anders. Kommt schwer in Gang. Julia sucht das Gespräch und fragt, ob es nicht passe für ihn? Zum damaligen Zeitpunkt kann er nichts nachvollziehen und nimmt die Dinge komplett anders wahr, obwohl er genau diese Dinge tut: Max beginnt, sich bereits nach den ersten Monaten zurückzuziehen. Immer wieder und immer öfter. Er brauche Ruhe. Er fängt an, Julia wegzuschieben. Gemeinsames Reden wird zusehends anstrengender. Die Themen bleiben schließlich gleich. Auf Feiern haben beide zwar Spaß, aber mehr und mehr sorgt Max dafür, dass diese ohne Julia stattfinden. Er fühle sich antriebslos. Dagegen wird mit Kumpels keine Gelegenheit ausgelassen. Auf Familienfeiern lässt Max sich kaum noch blicken. Urlaube brauche er nicht. Immer wieder kramt Max Probleme und Anschuldigungen hervor. Schuld waren grundsätzlich andere. Die Kinder, Kollegen, Julia, Julia und ihre Kinder und nochmal Julia. Heute sagt Max, dass er über die Jahre immer unzufriedener wurde. Und leer. Unglaublich leer. Gefühle hatte er kaum noch. Max hielt Julia immer weiter auf Abstand. “Ich habe in unserer Freizeit nicht einmal mehr gefragt, was sie eigentlich machen möchte. Nicht gesehen, wenn sie eine andere Frisur oder ein neues Kleid hatte. Julia kämpfte wahnsinnig um uns und hat sich aufgerieben. Immer wieder das Gespräch gesucht und mich darauf hingewiesen, dass etwas nicht stimme! Je mehr Julia das tat, desto mehr entfernte ich mich. Sie wurde mir egal. Sie war selbstverständlich und eh immer da. Ich hatte keinen Blick mehr für sie und habe gedacht, dass ich Julia nicht mehr liebe.” Mit der Unzufriedenheit kam auch über die Jahre eine unglaubliche Launenhaftigkeit. Ein sehr guter Freund sprach mich eines Tages an, ob es mir gut gehe. Meine Launen seien ja unerträglich! Aus Julias Mund war das eine Frechheit, es woanders zu hören, kannte ich nicht. Und ich nahm mich schon garnicht so wahr. Ich machte weiter. Mit allem.” Vor ein paar Monaten ist Julia gegangen. “Ich kann nicht mehr!”, sagte sie traurig. “Ich dachte, ja ja, das hast du schon so oft gesagt.” Aber Julia kam diesmal nicht zurück. Anfangs war Max verletzt. Doch irgendwie wollte er wenigstens für sich nicht das Gefühl haben, er habe nichts für die Beziehung getan. Und nahm sich Zeit zum Nachdenken. Und stolperte durch mich über das Buch von Nathalie Stüben – Ohne Alkohol. Die beste Entscheidung meines Lebens (Achtung, keine bezahlte Werbung!) Dabei war er eigentlich noch immer nicht davon überzeugt, dass er ein Problem durch Alkohol habe. Aber mal reinschauen schadet ja nicht, dachte Max. Er erzählt mir, dass die Ehrlichkeit, die man zu sich selbst haben muss, unabdingbar für die Einsicht war. Und es war hart. Hart für sein Ego. Hart, weil er dachte, er müsse sein ganzes Leben umkrempeln. Mit einem Online Kurs ging es weiter für Max. Auch auf anderen Internetseiten habe er gelernt, wie viele Gesichter ein Leben mit Alkohl hat und wie viele Menschen davon betroffen sind. Vor mir sitzt jetzt ein ruhiger und ausgeglichener Mann mit einer gesunden Gesichtsfarbe und glücklichen, frechen und lebendigen Augen. Er fühle sich auch so, sagt Max leise. Er weint ein bisschen, weil er dieses Gefühl schon garnicht mehr gekannt habe. Er stehe erst am Anfang, aber dieses Freiheits- und Lebensgefühl möchte er nie wieder verlieren. Ich sage nichts. Mir ist übel und es schnürt mir die Kehle zu. Max erzählt mir noch, dass es nach langen Versuchen endlich ein Gespräch mit Julia gab. Sie freue sich für ihn. Liebe ihn vielleicht auch noch. Aber sie habe jemanden kennengelernt. Sie wolle einfach ein normales Leben und jemanden, der sie liebt. Er liebe sie, sagt Max und versucht zu erklären, was er über so viele Jahre nicht konnte. Weil er nicht verstanden habe, wie eine so harmlos aussehende und spaßbringende Flüssigkeit so einen Einfluss auf das komplette Leben haben könne. Denn wer schiebt Unzufriedenheit, Depression, Launen, Leere, Müdigkeit schon auf so etwas. Das hätte er nie für möglich gehalten, sagt Max. Burnout, Stress, egal. aber nicht das. Ein Gläschen Alkohol geht doch. Die Kontrolle darüber auch. Das habe er sich oft genug beweisen wollen. Klar geht das, aber der Körper kann das trotzdem nicht abfangen und somit ändert sich gar nichts. Das habe er nun endlich begriffen. Und jetzt gehe es bergauf. Der Preis war zu hoch. Es könne nie wieder zurückgehen. Dafür sei das Ergebnis zu kostbar. “Und Julia…”, sagt er, “ich gebe uns nicht auf. Wir werden uns wiederfinden, wenn es sein soll. Sie hat so ein großes Herz und hat Glück vedient. Niemand war je so ehrlich zu mir. Ich möchte ihr auch mit diesem Eintrag danken!”
Toleranz
Warum schafft man es in anderen Ländern, mit Toleranz zum brisanten Thema Corona ein friedliches Miteinander zu gestalten? Von Bekannten ist die Frage zu hören, warum man hierzulande so einen enormen Druck zu spüren bekommt. Eine gute Frage. Denn kaum jemand macht sich die Mühe (Hinweis: ich rede nicht von Impfgegnern und Verschwörungstheorie !), tatsächliche Gründe von Nicht- oder nur Teilgeimpften zu erfragen und verstehen zu wollen. Geht es letztlich um Profit, der entgeht, wenn Quarantäne und Ausfall anstehen? Macht es ein Unternehmen in so einer Situation tatsächlich so viel ärmer? Oder wäre es nicht eine wunderschöne Geste, einen Heimarbeitsplatz zu erschaffen (falls möglich), damit sich diese Person und ihre Familie keine Sorgen machen muss? Meist kommt die Kritik und der Druck auch noch von den Menschen, die sich selbst nicht ganz so genau an die herrschenden Regeln halten wollen, aber mit dem berühmten Fingerzeig ganz vorn dabei sind. Dies gilt im Übrigen auch in Bezug auf Elternzeit, die mittlerweile zum Glück auch immer mehr Väter wahrnehmen möchten. Noch immer verpönt und nur bedingt gern gesehen, tun sich viele Arbeitgeber schwer mit ehrlicher Freude gegenüber jungen Eltern, die sich vielleicht mehr Zeit nehmen, als unsere Generationen zuvor es kennengelernt haben. Es finden sich viele Gegebenheiten im täglichen Miteinander, in denen einem nur noch Frust und Ärger entgegengebracht werden. Wie oft lässt man sich (auch ich) mit hineinziehen in all die vorherrschende Negativität. Wäre es nicht mal ein Anfang, mit Liebe und Verständnis den Alltag etwas leichter für alle zu machen? Es kann im Großen nicht sein, was im Kleinen nicht beginnt…
Ein guter Weg…
Mit freundlicher Genehmigung von Nathalie (Hinweis: keine bezahlte Werbung!):
Ich habe lange nachgedacht, über das Thema Alkohol zu schreiben. Aber ich folge auf Instagram Nathalie Stüben und bin von einem anderen Nutzer angeschrieben worden, ob ich Erfahrung mit dem Thema habe und ob ich Nathalie empfehlen könne. Nun zunächst einmal eine kurze Erklärung: ich bin als Verwandte indirekt betroffen (dieses Outing ist genehmigt), war in der Kindheit und Jugend aber beteiligt. Auch im Schul-, Arbeits- und Freundeskreis war das Thema nicht selten. Man sagt, dass auf einen Alkoholabhängigen mindestens zwei bis drei Co-Abhängige gezählt werden können. Vielleicht hast Du schon von Nathalie gehört, gesehen oder gelesen (RTL, ZDF, BR, Stern etc.). Nathalie Stüben ist eine junge Journalistin und trockene Alkoholikerin. Mit ihrem Programm (das Dich bis zur Abstinenz begleitet) wendet sie sich ausschließlich an direkt Betroffene. Aus diesem Grund kann ich zu ihrer Arbeitsweise nichts sagen. Allerdings verfolge ich sehr gern ihre Storys und Erfolgsgeschichten. Denn Nathalie hat einen Weg ohne Krankenhaus- und Kuraufenthalte gefunden. Ein Weg in 30 Tagen. Mit neuen und modernen Ansätzen. Sie ermutigt (auch wenn Du noch so viele Anläufe benötigst) und erklärt. Sie klärt auf zwischen Alkoholgenuss und Alkoholabhängigkeit. Und wie weit verbreitet diese oft unerkannte Sucht ist und in erster Linie Dich (aber auch andere) schleichend zerstört. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Für das Hilfe suchen genauso wenig. Alles, was Du brauchst, ist Ehrlichkeit zu Dir selbst. Wenn Du meinst, dass Du Hilfe benötigst oder Dich einfach nur informieren möchtest, anbei ein paar Links:
Nathalie auf youtube: https://www.youtube.com/channel/UCH5IVF_bYB48HeaUKJ8JShw
Interview mit Anwalt Frederick Brüning (Betroffener): https://www.youtube.com/watch?v=P4q_tSp_Tvw
Interview mit Marco (Betroffener) Alkohol und Fußball: https://www.youtube.com/watch?v=N07ZCH7gz-A
Internetseite und Programme von Nathalie: https://oamn.jetzt/
Quelle: https://oamn.jetzt/
T wie Sträter
Ich laufe über den Innenhof des Deutschen Museums und frage mich, ob die wunderschöne Uhr im Außenbereich des Gebäudes auch ein vernehmbares Glockenläuten von sich geben kann. Sie kann, sie wird und sie tut. Das kündigt der Gastgeber Torsten Sträter wenige Minuten später zu Beginn seines fast zweistündigen und pausenlosen Programmes an. So, damit wären alle Fragen vorab beatwortet und ich kann mich voll und ganz auf den coolen Typen aus dem Ruhrpott konzentrieren. Und komme nicht aus dem Lachen raus, was auch meinen Gesichtsmuskeln nicht entgeht, die am Ende des Abends im oberen Wangenbereich schmerzen werden. Aber Vergnügungsschmerz ist immer herzlich willkommen. Wie auch der Verursacher. Wer kann, sollte sich den sympatischen und schlagfertigen Mann unbedingt ansehen. Ich tue das öfter und denke mir ein paar Tage später, dass ich ja noch nicht die Kombi Kurt Krömer und Torsten Sträter gesehen habe und hole das online nach. Bei “Chez Krömer” ist Torsten zu Gast. Beide bleiben lustig, aber sprechen ein ernstes Thema an: Depressionen. Schnell merkt man, wie sehr es beide Beteiligten emotional bewegt und auch mich als Zuschauer. Und jeden, der ebenfalls weiß, was das bedeutet. Depressionen können durch vielerlei Gründe entstehen. Durch erbliche Veranlagung, Stress, BurnOut, Trauma etc. Und es ist vor allem eins nicht: nur ein Frauenthema. Depressionen zeigen sich mitunter auf ganz verschiedene Weise, wie Niedergeschlagenheit, Krankheitssymptome, Panikattacken, Leere, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen usw. All diese Dinge werden gerade bei starken Menschen oft über einen enorm langen Zeitraum ausgehalten und teilweise verdrängt. Mit professioneller Hilfe können Depressionen meist sehr gut in den Griff bekommen und ein Weg mit dem Umgang und den Ursachen gefunden werden. Jeder, den dieses Thema direkt und auch indirekt betrifft, sollte sich auf gar keinen Fall scheuen, Hilfe zu suchen. Dies ist auch eine ganz klare An- und Aussage der Herren Krömer und Sträter. Hut ab vor dem Mut und der Ehrlichkeit. Anbei ein Link zur Sendung, wer mag…
https://www.youtube.com/watch?v=ZxL1lJnHJN
Telefonseelsorge: 0800 – 111 0 111
Info-Telefon Depression: 0800 – 33 44 5 3
Zum Abschluss ein Schnappschuss für schöne Gedanken…
Bildqelle: A. Harz
Schule des Lebens
Mein Nachwuchs ist erwachsen und das Thema Schule liegt schon etwas hinter mir. Aber noch immer steigt in mir Würgereiz auf, wenn ich mitbekomme, wenn Eltern mit Lehrern und dem damit verbundenen System der schulischen Bildung in Konflikt geraten. Nicht, weil Noten vielleicht schlecht sind, sondern wenn Kinder anders sind. Lehrer kommen schnell an ihre Grenzen, wenn das Verhalten aus dem (gesellschaftlichen) Rahmen fällt. Und schnell sind auch die Schlagworte, wie ADHS, hyperaktiv, unerzogen, psychisch auffällig und bla bla bla die Hauptargumente im Austausch. Anfänglicher Dialog wird zu sturem Monolog. Es geht vorwiegend um Schuld, weniger um das Kind und Lösungen. In Frage werden Eltern gestellt, nicht das System, nicht die eigene Kompetenz, nicht die alltägliche uns alle betreffende Entwicklung. Dass diese in schulischen Einrichtungen nicht individuell und talentbezogen sein darf, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch der Zeit- und Leistungsfaktor steht bei Höher-besser-weiter-nicht aus-dem-Rahmen-fallen-geht-immer. Läge er im gesunden Maße, dann wäre Zeit für Hinterfragen, Toleranz, Mitgefühl und Verstehenwollen. Woraus sich wiederum ein wirkliches Miteinander und soziale Empathie entwicklen könnte. Nicht nur bei Lehrern sondern auch bei anderen Eltern, die teilweise auf die Betroffenen zusätzlich einhauen. Die Zeilen hier richten sich nicht gegen Lehrer. Schule ist ein bereits seit Jahren kränkelndes System, in dem vor allem die Erfahrung im menschlichen Umgang fehlt. Ist Schule nur ein Haus, in dem Zahlen, Fakten, chemische Formeln, literarische Werke in ein paar Gehirnzellen eingetrichtert werden? Man überlege sich den Zeitraum einer schulischen Laufbahn von ca. einer Dekade und das bis zu acht Stunden am Tag. Eine Zeit, in der Eltern keinen Einfluss auf ihre Kinder haben können. Natürlich obliegt die Erziehung ihrer Kinder noch immer Mutter und Vater. Doch Schule trägt aufgrund der Zeit doch einen erheblichen Anteil an der Entwicklung eines Kindes. Ist es da wirklich richtig, die alleinige Verantwortung vor allem im sozialen Bereich auf Eltern zu schieben??? Hier ist doch wohl dringend ein Umdenken erforderlich.